Deutscher Aikido-Bund

DEUTSCHER AIKIDO-BUND e.V.

einziger vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) anerkannte Fachverband für Aikido

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Erläuterungen zur 3. Kata

Technische Kommission des DAB

Erläuterungen zur 3. Kata

 

Einleitung

Die Technische Kommission hat auf ihrem Workshop im April 2013 eine neue 3. Kata definiert.

Die bisher aufgetretenen Schwierigkeiten mit der Ausführung der 3. Kata wurden analysiert, was zu einer intensiven Diskussion über Sinn, Zweck und Ziele von Kata im Aikido führte. In der Folge wurden die Kriterien bewertet und gewichtet, nach denen eine Kata der Stand-/Wurftechniken gestaltet werden sollte. Anschließend wurde die 3. Kata neu definiert. Nachfolgend finden sich nun nähere Erläuterungen zu den Zielen der Kata und worauf es in der Darstellung und Präsentation tatsächlich ankommt.


1. Unterschiede von Nage-waza- zur Katame-waza-Kata

Die aus 1. und 2. Kata bekannte Ausführungsform, im Wesentlichen „auf der Linie“ auszuführen und ein daran ausgerichtetes einheitliches Formenbild zu wahren, schränkt den räumlichen Führungsspielraum des Nage ein und verlangt daher eine deutliche Steuerung des Uke über die Hebel – bis zum Ende eines Technikzyklus am Boden. Da bei den Bodentechniken Uke nicht geschleudert oder geworfen wird, sondern der Führungskontakt über die Hebel bis zum Ablegen bestehen bleibt, ist es leichter möglich, die Richtung zu bestimmen, die Uke nehmen soll.

Bei den dynamischen Standtechniken, bei denen Uke deutlich stärker in Bewegung zu halten ist, steigen die Anforderungen an die Anpassung an den Uke sehr (Intensität des Angriffs, Ausmaß der Ausweichbewegungen und des Sabaki, Positionierung zum Uke, Richtung der Führung und des Abwurfs). Wollte der Ausführende ein vorher festgelegtes Formenbild wahren, entstünde ein Zielkonflikt zwischen dem Wunsch, ein alle Partnerkonstellationen berücksichtigendes allgemeines Formenbild zu wahren oder sich optimal an den jeweilige Angriff anzupassen und die Technik im Sinne der Effizienzhierarchie optimal auszuführen.

Im ersten Fall wirkt der äußere Rahmen nach innen, im zweiten Fall ergibt sich das Äußere von innen.


2. Unterschied der Kata zu Nage-waza

Was unterscheidet die Kata-Darstellung nun noch von einer reinen Nage-Waza-Technik und -Ausführungsform? Der Unterschied liegt in der Darstellungsaufgabe. Während der Ausführende bei Naga-Waza-Technik die Wirksamkeit seiner Ausführung („Einsatzmodus“, Präzision, Sicherheit, Schnelligkeit, Kontrolle des Angreifers usw.) auch unter sich ändernden Bedingungen (wechselnde Angreifer, im Stand, auf den Knien, mit/gegen Waffen, einer/mehrere Angreifer, variables Angriffsverhalten und Tempo u.a.) unter Beweis stellt, soll der Ausführende in der Kata zeigen, wie die Technik wirkt. Dies ist vergleichbar mit dem „Unterrichtsmodus“: Der Angriff ist präzise vordefiniert, so dass die Technik ggf. überdeutlich in nachvollziehbarem Tempo so gezeigt werden kann, dass ihre jeweilige Wirkungsweise und die „Elemente“ der Aikido-Technik (Distanz, Positionierung, Einsatz von Zentrum und Tegatana, Führungsrichtung, Balancebrechung usw.) für den Betrachter sichtbar zum Ausdruck kommen. Die enge Abstimmung mit einem eintrainierten Partner erlaubt dem Ausführenden, die Aikido-Technik in optimaler Form, in „Schönschrift“, darzustellen.

Die in der Kata angestrebte Ästhetik ergibt sich dann aus einer optimalen Darstellung der Technik und deren Wirkung und nicht aus der Einhaltung eines Formenbildes („Schönheit kommt von innen.“).


3. Innere Merkmale der 3. Kata

Bei der Frage nach den inneren Merkmalen der Technik orientieren wir uns an den sog. „Elementen des Aikido“ und den technischen Evolutionszielen, dargestellt an dem Modell der Effizienzhierarchie. Bei dem am Ende des Entwicklungsweges stehenden Ziel steht die geistige-intuitive, körperlose Führung eines Angreifers, welche die Technik selbst gar nicht mehr erkennen lässt. Da in der 3. Kata jedoch die körperliche Wirkungsweise dargestellt werden soll, müssen die körperlich erkennbaren Merkmale

  • Griffe und Hebel
  • Führungen,
  • dynamische Gleichgewichtsbrechung durch Bewegung,
  • Antizipation, Synchronisation, Koordination,
  • Rhythmus und Harmonie

klar zum Ausdruck kommen.


3.1 Bewegung/Dynamik

Bei dem Ziel, sich die Kraft des Angreifers nutzbar zu machen,

  • sollte eine Balancebrechung durch antizipierendes Sabaki möglichst bereits vor dem ersten und sich in der Folge verfestigendem Angriff eingeleitet werden,
  • muss Uke ständig in Bewegung und mindestens im labilen Gleichgewicht gehalten werden, damit dieser nicht seine Balance wiedergewinnt und anschließend blockieren könnte,
  • verlangen die auf den Rumpf/Körperachse des Uke wirkenden Techniken (Irimi-nage, Koshi-nage) auch eine beschleunigende Bewegung, ggf. auch ein eigendynamisches Arbeiten.


3.2 Tempo und Raum

Bei zu schneller Ausführung geht für den Betrachter die erkennbare Präzision verloren. Eine zu „wilde“ Ausführung kaschiert häufig eine unsichere, unpräzise und damit wirkungslose Ausführung.

Eine Möglichkeit das Tempo der eigenen Ausführung zu reduzieren besteht darin, Uke großräumiger zu führen. Dieses Ziel unterstützt, zum Zwecke der Balancebrechung „die Linie zu verlassen“ und „exzentrisch zu führen“.


3.3 Optimale Anpassung, eigene technische Ausdrucksform

Das Ziel des Nage muss die optimale Anpassung an den Uke sein. Mit Änderung des Uke muss sich auch die eigene Ausführung anpassen.

Eine gute technische Darstellung kann nur gelingen, wenn Nage nach seiner Persönlichkeit (Temperament, Beweglichkeit, Reaktionsschnelligkeit, Größe, Gewicht usw.) seine eigene Form findet. Er hat daher zwangsläufig einen Spielraum eigener Darstellungsmöglichkeiten und Variationen, um bei unterschiedlichen Uke-Nage-Kombinationen eine effektive Ausführung zu ermöglichen. Hierbei ist es unwichtig, welcher Fuß vorne steht, wo der Uke landet oder in welcher Richtung er liegt.


3.4 Uke-Verhalten

Uke ist während des Angriffszyklus ständig aktiv, verfolgt ein Ziel, wendet sich dem Nage zu oder ab. Er ist nicht passiv, kommt erst nach dem Abwurf zur Ruhe, um anschließend den nächsten Angriff zu starten.


3.5 Irimi – Tenkan auf höherem Niveau

Ausgehend von einer abstrakt-philosophischen Definition

  • Irimi: „Die Leere füllen.“
  • Tenkan: „Die Fülle entleeren.“

sind diese Prinzipien nicht alleine daran zu erkennen, ob (meist in Omote) linear eingetreten wird oder (meist in Ura) drehende Bewegungen ausgeführt werden.

In der Kata kann das Irimi-Prinzip nur dann überzeugend gezeigt werden, wenn der Angriff sich noch nicht entfaltet hat (1. Möglichkeit) oder der Angreifer in eine labile Haltung geführt wird (2. Möglichkeit), somit keine Angriffskraft unmittelbar gegen den Verteidiger wirkt und Nage dann eintreten kann, oder der Angreifer sich ggf. sogar von dem Verteidiger wieder abwenden will (z.B. um seine Balance wieder herzustellen).

Die Darstellung des Tenkan-Prinzips (in der Endphase der Technik) verlangt demzufolge eine vom aggressiven Willen getragene Zuwendung des Angreifers zum Verteidiger, sei es eigenmotiviert oder infolge der vorherigen Führung des Nage.


3.6 Ausdruck

Die Techniken sollen in „Schönschrift“ so deutlich gezeigt werden, dass die jeweiligen Merkmale einer Technik gem. den Prinzipien des Aikido und der Weg der Umlenkung zum Ausdruck gebracht werden. Der Darstellende (Nage) sollte sich selbst fragen, welches die technischen Merkmale der jeweiligen Technik sind, wie diese auf welche Weise wirken und damit in der Darstellung der Kata zum Ausdruck gebracht werden können.


4. Äußere Merkmale der 3. Kata

Die Anzahl der Techniken wurde in der neuen 3. Kata reduziert, jede Technik wird insgesamt nur einmal beidseitig gezeigt.


4.1 Abfolge der Techniken

1 Yokomen-uchi || Shiho-nage irimi
2 Yokomen-uchi || Ude-kime-nage irimi
3 Shomen-uchi || Irimi-nage irimi
4 Shomen-uchi || Kaiten-nage-uchi irimi
5 Shomen-uchi || Kaiten-nage-soto tenkan
6 Ushiro-ryote-tori || Juji-garami irimi
7 Ryote-tori || Koshi-nage tenkan
8 Ryote-tori || Tenchi-nage irimi
9 Katate-tori Gyaku-hanmi || Sumi-otoshi irimi
10 Katate-ryote-tori || Kokyu-nage mit Tenkan-ashi in der Angriffsrichtung weiterführend irimi
11 Ushiro-ryokata-tori || Aiki-otoshi irimi
12 Shomen-tsuki || Kote-gaeshi irimi


4.2 Erläuterungen zu den Ausführungen

  • Nage und Uke beginnen aus einer regelmäßigen Grundposition frontal vor den Prüfern wie bei 1. und 2. Kata.
  • Alle Techniken sind beidseitig auszuführen, die Angriffe erfolgen pro Technik rechts und links.
  • Jeder Angriff muss aus hinreichender Distanz erfolgen, damit eine Führung des Angreifers vor dem Kontakt möglich ist.
  • Nage nimmt sich bei der Ausführung der Techniken den Raum und die Richtung, die er braucht.
  • Der jeweilige Abwurf muss nicht auf einer festgelegten Linie erfolgen. Uke muss aber bei der nächsten Wurftechnik wieder auf die regelmäßige Grundposition zurückfallen oder sich dorthin begeben.
  • Kurze Ruhepausen zwischen den Techniken, damit der zuletzt vermittelte Eindruck nicht hektisch von nächsten überdeckt wird.
  • Die individuellen Ausführungsformen sind Uke und Nage freigestellt, solange keine Umdeutung der Technik erfolgt und die eindeutigen technischen Merkmale zum Ausdruck kommen. Innerhalb eines Technikelements ist jedoch immer die gleiche Form zu wählen.
  • Auf die Vorgabe von Fuß-Stellungen, Positionierung Uke-Nage (d.h. gleiche Seite oder Seitenwechsel) etc. wird bewusst verzichtet, um den Ausführenden die größtmögliche Freiheit bezüglich der Anpassung und Ausführungsform zu geben.
  • Uke ist es freigestellt, wie er fällt.


Technische Kommission des DAB
(Karl Köppel, Alfred Heymann, Horst Glowinski, Martin Glutsch, Manfred Jennewein, Hubert Luhmann, Roland Nemitz, Thomas Oettinger, Ulrich Schümann, Hans-Peter Vietze, Joachim Eppler, Berthold Krause, Barbara Oettinger, Thomas Prim, Wolfgang Schwatke)

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